Die warme Frühjahrssonne streichelt die Erde und weckt alles Leben aus seinem Winterschlaf. Zarte Gemüsesprossen durchbrechen die Erde und tragen den Duft der Natur in sich. In dieser lebendigen Jahreszeit erscheinen Frühlingsrollen – ein kulinarischer Schatz mit tausendjähriger Geschichte – still auf chinesischen Esstischen. Sie sind mehr als nur ein Genuss für den Gaumen: Jede Rolle ist ein Stück gelebte Geschichte, das die Geschenke der Zeit in sich trägt.
Der Ursprung der Frühlingsrolle liegt im alten "Frühlingsteller". Bereits in der Jin-Dynastie erwähnte das Werk Fengtu Ji die Tradition des „Fünf-Schärfe-Tellers“: Zum Frühlingsbeginn wurden fünf scharfe Gemüse – Knoblauch, Schnittlauch, Lauch, Kohl und Koriander – auf einem Teller angerichtet. Dieser sollte die fünf inneren Organe stärken und den Frühling willkommen heissen. In der Tang-Dynastie gewann der Teller weiter an Bedeutung. In Sishi Baojing heisst es: „Zum Frühlingsbeginn essen die Menschen Schilf, Frühlingspfannkuchen und frisches Gemüse – man nennt es den ‘Gemüseteller’“. Der ursprüngliche „Fünf-Schärfe-Teller“ wurde nun zu einem Mix aus saisonalem Grün und dünnen Pfannkuchen – dem Vorläufer der heutigen Frühlingsrollen.
Du Fu, der nach dem An-Lushan-Aufstand in Kuizhou strandete, schrieb: „Im Frühling liegt frisches Grün auf dem Teller; plötzlich erinnere ich mich an die Pflaumenblüte in den beiden Hauptstädten.“ Der Frühlingsteller in seinem Gedicht war genau der Vorgänger unserer Frühlingsrollen: frisches Gemüse wie Spinatsprossen, Lauchzwiebeln, Schnittlauch, eingerollt in hauchdünne Pfannkuchen – ein farbenfrohes, duftendes Erlebnis. Ein Biss und der Gemüse-Saft vermischte sich mit dem Weizenaroma – ein Hauch von Lebensfreude und Frühlingshoffnung auf der Zunge.
Mit der Zeit wandelte sich der Teller zur Frühlingsrolle, und ihre Zubereitung wurde kunstvoller. In der Song-Dynastie entstanden die „Teigkokons“ – mit Füllung geformt wie Seidenraupen, als Symbol reicher Ernte. In der Ming- und Qing-Dynastie wurde die Frühlingsrolle nicht nur zum beliebten Volksgericht, sondern auch Teil kaiserlicher Bankette – etwa als eines der neun Desserts im Manchu-Han-Bankett. Die Herstellung erfolgte nun in vier Schritten: Teighülle, Füllung, Rollen, Frittieren.
Die Hülle war so dünn wie Reispapier, fast durchsichtig. Die Füllung musste vor allem frisch sein: Im Süden mit Hirtentäschelkraut und frisch gepulten Garnelen, oder Schnittlauch mit gebratenem Schweinefleisch – ein Duett aus Ölaroma und Gemüsesüsse. Beim Rollen formten geschickte Finger die Teighülle wie ein Goldbarren – sauber, dicht, elegant. Im heissen Öl frittierte sie zu goldener Knusprigkeit – durchzogen von kleinen Bläschen, glänzend wie Bernstein.
Die Entwicklung der Frühlingsrolle ist mehr als ein kulinarischer Wandel – sie ist ein kulturelles Symbol. Vom ursprünglichen "Frühling beissen" bis zur heutigen Festtagsspeise steht sie für Hoffnung und Neubeginn. Im Süden fliesst beim Biss Brühe aus der Rolle – Hirtentäsche, Garnelen, Schnittlauch entfalten sich sanft. Im Norden sind süsse Rollen mit Roter Bohnenpaste, Osmanthus oder Pinienkernen gefüllt – süss, aber nicht aufdringlich. Ob salzig oder süss – Frühlingsrollen sind fester Bestandteil der chinesischen Frühlingstradition.
Ein Biss in die knusprige Hülle, das zarte Innenleben auf der Zunge – man spürt den Fluss von tausend Jahren. Vom Jin-Dynastie-Gemüseteller über den Tang-Gemüseteller bis zur heutigen Frühlingsrolle – diese Speise ist tief mit dem Frühling verbunden. Sie zeugt von der Ehrfurcht der Chinesen vor der Natur und der Freude am Leben. Jede Frühlingsrolle ist ein historisches Gemälde – ein Stück tausendjähriger Frühlingszauber auf der Zunge.